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Abbildung: Arbeit am Laptop und Schriftzug Leasing

Im Gegensatz zum „klassischen“ Mietvertrag sind Leasingverträge in der Bilanzierungspraxis schon immer eine Herausforderung. Operate-Leasing-Vertrag, Finanzierungsleasing- oder Spezialleasingvertrag, Gestaltungen als Teil- oder Vollamortisationsvertrag sowie die Verwendung von Kaufoptionen machen es dem Bilanzierungspraktiker häufig nicht einfach, zu beurteilen, wer den Leasinggegenstand zu bilanzieren hat – der Leasinggeber oder der Leasingnehmer.

Die Leasingerlasse des BMF als Richtschnur für die Bilanzierung

Mit vier Leasingerlassen aus dem Zeitraum 1971 bis 1991 hat das Bundesfinanzministerium (BMF) die Zurechnung des Leasinggegenstands zum Leasinggeber bzw. -nehmer abschließend geklärt. Handelsrechtlich folgte man diesen Vorgaben.

Handelsrechtliche Beurteilung als Richtschnur für das Umsatzsteuerrecht

Die sachgerechte Behandlung von Leasingverträgen ist nicht nur ein handelsrechtliches, sondern auch ein umsatzsteuerrechtliches Thema. Es ist nämlich die Frage zu beantworten, ob der Leasingvertrag umsatzsteuerlich zu einer Lieferung oder zu einer sonstigen Leistung führt.

Bisher ging man in Deutschland davon aus, dass ein Leasingvertrag, bei dem der Leasingnehmer (Nutzer / wirtschaftlicher Eigentümer) den Leasinggegenstand zu bilanzieren hat, dazu führt, dass der Leasinggegenstand zu Beginn der Vertragslaufzeit umsatzsteuerlich an den Leasingnehmer geliefert wurde. Bilanziert jedoch der Leasinggeber (zivilrechtlicher Eigentümer) den Leasinggegenstand, dann wird umsatzsteuerlich eine sonstige Leistung unterstellt.

Lieferung vs. sonstige Leistungen – erhebliche umsatzsteuerliche Konsequenzen!

Ob eine Lieferung oder eine sonstige Leistung vorliegt, hat erhebliche umsatzsteuerliche Konsequenzen:

  • Bei einer Lieferung entsteht die Umsatzsteuerschuld in voller Höhe im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.
  • Bei einer sonstigen Leistung entsteht die Umsatzsteuerschuld ratierlich über die Vertragslaufzeit.
  • Die Bestimmung des Orts (bei grenzüberschreitenden Sachverhalten), an dem ein Umsatz zu versteuern ist, unterscheidet sich bei Lieferungen und bei sonstigen Leistungen.
  • Bei grenzüberschreitenden sonstigen Leistungen kommt es zum Wechsel der Steuerschuldnerschaft (§ 13b UStG).

EuGH und BMF: Änderung der Rechtsauffassung zur umsatzsteuerlichen Beurteilung von Leasingverträgen

Nachdem der EuGH mit seinem Urteil vom 04.10.2017 (Rs. C-164/16) seine bisherige Rechtauffassung zur umsatzsteuerlichen Beurteilung von Leasingverträgen aufgab, hat nunmehr das BMF (BMF-Schreiben vom 18.03.2020) die Frage, ob umsatzsteuerlich eine Lieferung oder eine sonstige Leistung besteht, neu beantwortet.

Neue Sichtweise des BMF: Umsatzsteuerliche Behandlung von Leasingverträgen

Bei einem Leasingvertrag liegt dann umsatzsteuerlich eine Lieferung vor, wenn folgende zwei Voraussetzungen (kumulativ) erfüllt sind:

  • Der Leasingvertrag muss eine Klausel (z. B. Kaufoption) enthalten, dass der Leasinggegenstand am Ende der Vertragslaufzeit auf den Leasingnehmer übergeht.
  • Aus dem zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung objektiv zu beurteilenden Vertragsbedingungen geht deutlich hervor, dass das Eigentum am Leasinggegenstand automatisch auf den Leasingnehmer übergehen soll, wenn der Vertrag planmäßig erfüllt wird.

Die zweite Voraussetzung ist aus Sicht des BMF dann erfüllt, wenn auf der Grundlage der Vertragsbedingungen die Ausübung der Kaufoption für den Leasingnehmer als die einzig wirtschaftlich rationale Möglichkeit erscheint. Dies ist dann der Fall, wenn der Leasingnehmer durch seine Leasingraten den Leasinggegenstand faktisch voll „bezahlt/amortisiert“ hat und er keine oder keine erhebliche Summe (max. 1 % des Verkehrswerts im Optionszeitpunkt) als Kaufpreis zahlen muss.

In allen anderen Fällen liegt eine sonstige Leistung vor.

Weitreichende Konsequenzen für die Praxis

Zunächst kann dahingehend Entwarnung gegeben werden, dass Leasingverträge, die vor dem 18.03.2020 abgeschlossen wurden, nicht neu beurteilt werden müssen. Neue Verträge (ab dem 18.03.2020) sind allerdings unter Anwendung der neuen umsatzsteuerlichen Vorgaben zu beurteilen.

Die Leasingerlasse des BMF sind künftig kein (ausschließliches) Kriterium mehr für die umsatzsteuerliche Beurteilung (Lieferung vs. sonstige Leistung) von Leasingverträgen. Insoweit werden das Handels-/Ertragsteuerrecht und das Umsatzsteuerrecht getrennte Wege gehen.

Vor dem Hintergrund der durchaus erheblichen Auswirkungen auf die Umsatzsteuerschuld und den Vorsteuerabzug sollte die Beurteilung, ob eine Lieferung oder sonstige Leistung vorliegt, gewissenhaft und mit der gebotenen Sorgfalt erfolgen.

Wir unterstützen und beraten Sie gern bei der Beurteilung von Leasingverträgen. Kommen Sie bei Bedarf auf uns zu!

Welche Herausforderungen sehen Sie in der neuen BMF-Sichtweise zur umsatzsteuerliche Behandlung von Leasingverträgen? Wir freuen uns auf Ihren Kommentar.

Bildquelle: Adobe Stock, Fotograf: adiruch na chiangmai

Ein Kommentar zu “Leasing und Umsatzsteuer – das Ende der Maßgeblichkeit der Leasingerlasse”

  1. Wolfgang Stach

    Streitfrage:
    ich habe ein Leasingfahrzeug für monatlich 330,98 netto
    zzgl 19% Mwst 62,89 = Euro 393,87
    mein Geschäftsführergehalt wird mit 522,00 Nutzung vermindert.
    Die Vorsteuer wird berücksichtigt

    Mein Steuerberater will bei der Umsatzsteuer-Voranmeldung
    jetzt noch einmal das als Steuerpflichtige Umsätze 19% melden.
    Ist das ok? das wären netto 43.865 Euro = 19% = 8.334,45 Euro

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