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Abbildung: Weltkarte

Den IT-Berater mit indischem Akzent kennt jeder, der sich einmal mit einer englischsprachigen Software-Hotline in Verbindung gesetzt hat. Die meisten internationalen Softwarekonzerne und viele andere Unternehmen haben in den frühen 2000er-Jahren ihre Call-Center nach Asien verlegt. Nun stellen sie fest, dass die Kunden nicht von Neu-Delhi aus beraten werden wollen und dass in Asien die Lohnkosten steigen.

Während in der Call-Center-Branche der Trend in die umgekehrte Richtung geht, vergeben deutsche Unternehmen immer mehr Arbeiten ins Ausland, IT-Prozesse etwa oder das Abwickeln der Gehaltsabrechnung. Aber was kurzfristig Kosten spart, das mag mittel- und langfristig zu Problemen führen. Zeitverschiebung, kulturelle Unterschiede oder Rechtsunsicherheit sind nur einige der Faktoren, die manches deutsche Offshore-Projekt in die Sackgasse geführt haben.

41.000 IT-Stellen in Deutschland unbesetzt

Der Fachkräftemangel in der IT-Branche ist ein Arbeitsmarktproblem, dem sich deutsche Unternehmen zwangsläufig stellen müssen. Nach der neuesten Zählung des Hightech-Verbands Bitkom sind 41.000 Stellen in Deutschland unbesetzt, 16.500 in der ITK-Branche, 20.500 in der Anwenderbranche. Der durch diese Vakanzen ausgelöste Druck ist ein Hauptgrund, warum deutsche Unternehmer Arbeitsprozesse ins Ausland verlagern, sei es Programmierung oder Servicedienstleistungen. „BPO“ (Business-Process-Outsourcing) ist in den Managementetagen eine viel benutzte Abkürzung, gemeint ist das Auslagern interner Prozesse, etwa der Finanzbuchhaltung. Nach einer Techconsult-Studie arbeitet bereits jedes dritte deutsche Unternehmen mit Partnern für Outsourcing im Ausland zusammen.

Outsourcing ins Ausland kann leicht teuer werden – Offshoring, häufig eine Sackgasse

Die Vorteile solcher Lösungen sind offensichtlich, die Nachteile offenbaren sich oft später. Wer Arbeiten ins Ausland verlagert, der spart Kosten, macht Ressourcen im eigenen Unternehmen frei, kann sich auf seine Kernkompetenz konzentrieren und hat Zugriff auf Fachleute, die der heimische Arbeitsmarkt nicht hergibt. So weit, so gut. Aber die Zusammenarbeit gerät auf vielen Ebenen leicht ins Stocken – und kostet oft mehr als geplant. Es mag sich zeigen, dass allein durch die Entfernung und die dadurch erschwerte Koordination Kosten entstehen, die das Projekt teurer machen. Unterschiede in Kultur, Mentalität und Sprache behindern oft die Zusammenarbeit. Politische Instabilität kann ein Faktor sein, je nach Sitz des Partners, dazu können rechtliche Probleme kommen, zum Beispiel wenn der Offshore-Partner für die Gehaltsabrechnung mit personenbezogenen Daten arbeitet, die das Unternehmen nicht außerhalb der EU verbreiten darf. All dies führt leicht dazu, dass am Ende die Kosten höher sind, als sie gewesen wären, hätte das Unternehmen eine Lösung in Deutschland vorgezogen.

Europäisches „Silicon Valley“ in Sofia

Unter Unternehmern sprechen sich die Nachteile herum, und im politischen Raum werden immer mehr Stimmen laut, die zum Schutz heimischer Märkte das Offshoring einschränken wollen. Daher hat sich in der jüngeren Vergangenheit ein Trend hin zum Nearshoring ergeben, also zum Auslagern zu Anbietern im benachbarten Ausland. Die räumliche Nähe mildert einige der Schwierigkeiten, die das Offshoring mit sich bringen kann. Außerdem ist ein persönlicher Austausch und Wissenstransfer viel eher möglich, wenn der Partner im europäischen Ausland sitzt und nicht auf einem anderen Kontinent. Speziell Bulgarien mit seinen niedrigen Lohnkosten entwickelt sich zunehmend zu einem Zentrum der IT-Dienstleistung. Mit mehr als 40 Millionen Euro unterstützt die EU in Sofia den Aufbau eines europäischen „Silicon Valley“. In den USA gehen derweil die Konzerne zum Nearshoring in Mexiko oder Kanada über.

Lösung des deutschen Fachkräftemangels in Sicht

Nearshoring mag auf kurze Sicht weniger unangenehme Nebenwirkungen mit sich bringen als Offshoring, ist aber dennoch nur ein Ersatz für die Ideallösung: gut ausgebildete heimische Fachkräfte. Auch wegen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung, aber in erster Linie aus handfesten Eigeninteressen versuchen zahlreiche deutsche Unternehmen, ihr Fachkräfteproblem daheim zu lösen. Ansätze gibt es viele, erst einmal die Zusammenarbeit mit deutschen BPO- und anderen Anbietern, von denen sich Unternehmer zum Beispiel bei der Finanzbuchhaltung höhere Qualität versprechen. Speziell im IT-Bereich entdecken die Unternehmen verstärkt die Zusammenarbeit mit Hochschulen. Und sie bilden heute die Fachkräfte aus, die morgen gebraucht werden, um sie frühzeitig an sich zu binden. Der Fachkräftemangel ist in Deutschland ein akutes Problem, aber voraussichtlich keines von Dauer.

Welche Strategie verfolgen Sie bezüglich des Fachkräftemangels? Ist Outsourcing eine interessante Lösung für Sie? Schreiben Sie uns einen Kommentar – wir freuen uns über Ihre Erfahrungen.

Bildquelle: Fotolia.com, Fotograf: Jakub Jirsák

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